Dornstadter Höfe
Wie wohnt man in einem ländlich- urbanen Quartier?
Diese Grundfrage nimmt die Transformationsstrategie zum Anlass, Ort und Programm auf ihre Synergien hin zu betrachten. Ähnlich einem »Ökoton« entsteht aus dieser Kombination des Ruralen und Urbanen ein ganz eigener Lebensraum mit besonderen Typologien in der Architektur und in den Freiräumen, die ihre Basis im ortstypischen haben. Ein ländlich urbanes Quartier befriedigt den Wunsch nach Individualität und Rückzugsorten ebenso wie jenen nach Gemeinschaft und Austausch. Nicht das generische Einfamilienhausgebiet, sondern ein Quartier mit Ortsidentität und Qualität zu entwickeln ist das Ziel. Ein Quartier, das einen Namen trägt, identifizierbar ist und eine dem Ort entsprechende bauliche wie atmosphärische Dichte entwickelt:
»Die Dornstadter Höfe«.
Grundordnung aus Höfen, Dorfboden und Saum
Die städtebauliche Grundordnung aus Hofstellen, Dorfboden und Saum bildet eine robuste und qualitätsvolle Struktur für das Quartier. Diese drei Elemente bieten die gewünschte Bandbreite von öffentlichen, gemeinschaftlichen und privaten Räumen in den Freiräumen wie der Architektur. Das Quartier wird in Phasen entwickelt und bietet Spielraum durch die Ordnung in den Höfen. Eine programmatische und typologische Bandbreite sowie unterschiedliche Miet- und Eigentumsmodelle sind möglich.
Dorfboden
Die Haupterschließung des Quartiers erfolgt über den Hubertus- und Bodelschwinghweg, von dem aus der Dorfboden als Haupterschließung u-förmig alle Höfe über diesen öffentlichen Freiraum zusammenbindet. Der Dorfboden ist als Ort für Alle als »Begegnungszone« ausgebildet und dient sowohl als Fahrgasse wie auch Aufenthalts- und Spielfläche. Aus dem Dorfboden sind Stellplätze für car- sharing, bikesharing (Elektrofahrräder), Gästeparkplätze und Kurzparker angeordnet. Öffentlichere Programme in den Gebäuden am Dorfboden profitieren von der guten Erschließung, Lagegunst und Sichtbarkeit und können hier das Wohnen ergänzen. Vom Dorfboden aus führen Feldwege in den grünen Saum und weiter in die Landschaft. Im Nordosten ist eine Quartiersgarage vorgeschlagen als »Speicherhaus«, welche von allen Höfen genutzt werden kann. Hier können auch weitere Sharing-Angebote untergebracht werden sowie bei Bedarf auch andere Nutzungen im Erdgeschoss.
Das Bestehende
Basis des Entwurfs ist die Identifizierung von bestehenden Qualitäten, die in einer sogenannten Schatzkarte zusammengefasst sind. Diese Schatzkarte beschreibt Elemente, die den Ort charakterisieren und in seiner Entwicklung bedeutsam waren. Diese Elemente werden möglichst erhalten und weiterentwickelt bzw. neu interpretiert. Ein sensibler Umgang mit Freiraumelementen wie dem ortsprägenden Baumbestand oder der Obstbaumwiese, aber auch die Wiederinwertsetzung von Orten wie der Kirche oder den Friedhöfen sind dabei selbstverständlich.
Ortsidentität
Die Schatzkarte wird ergänzt durch Überlegungen zu ortsspezifischen Bautypen und Freiräumen. Die identifizierten Bautypen der Region Hofstelle mit Hofhaus, Scheune, Stall und Silo sowie den entsprechenden Freiräumen Hof, Garten, Wiese und Feld bilden die Basis des Entwurfs auf der städtebaulichen, architektonischen und freiraumplanerischen Ebene. Sie bieten Ansatzpunkte für die Entwicklung eines ländlich urbanen Quartiers aus der Modifizierung und Weiterentwicklung durch die Konfrontation mit dem urbanen Lebensstil der Bewohner*innen. Aus dieser Kombination entstehen neue Typologien, die sich aus dem Kontext heraus entwickeln. Gelingt es, ein ablesbares Quartier mit hoher Gestaltqualität und Ensemblewirkung zu entwickeln, ist dies die Basis für eine langfristige Werthaltigkeit und Qualität.
Nachbarschaft
Auf einer Hofstelle bilden die Gebäude einen Innenhof für die Hofgemeinschaft aus und artikulieren den Hof nach außen. Der Eingang in den Hof wird durch einen Rücksprung besonders betont. Bestehende Bäume werden behutsam integriert und raumwirkend inszeniert. Die Gebäude bilden eine Nachbarschaft aus, die sich den gemeinschaftlichen Innenhof teilt und entsprechend ihrer Bedürfnisse gestaltet. Innerhalb der Hofstellen ist eine große Varianz architektonischer Typologien und Wohnformen möglich. Die gezeigte Bebauung im Rahmenplan ist hierfür ein Vorschlag. Wichtig sind die Schwellenbereiche zwischen den gemeinschaftlichen und privaten Flächen. Die Neuinterpretation der ortstypischen Bautypen »Hofhaus«, »Scheune«, »Stall« und »Silo« erlaubt vielfältigste Wohnformen von Geschosswohnungen in unterschiedlichsten Größen, Maisonetten und erdgebundenem Wohnen. Sondernutzungen wie im »Schulhof«, »Pflegehof« oder der »Dorfhof« ergänzen die dem Wohnen und Arbeiten in verschiedenen Kombinationen gewidmeten Höfe. Die Vergabe und Entwicklung der Höfe soll durch Konzeptvergabe bevorzugt an Baugruppen oder kleine Genossenschaften erfolgen, um dadurch die Möglichkeit zu geben, das Quartier aktiv mitzugestalten.
Dorfmitte mit öffentlichen und gemeinschaftlichen Programmen
Die Mitte des neuen Quartiers »Dornstadter Höfe« wird durch die Dorfwiese und das »Dorfhaus« räumlich definiert. Das bestehende »Haus 4« bildet in seiner Baustruktur schon einen Hof aus und wurde in seiner Baugeschichte mehrmals erweitert und umgebaut. Dies ist für uns der Anlass, dieses Gebäude weiterzubauen. Vom Dorfboden dreiseitig umschlossen, bildet es die Fortsetzung des »Öffentlichen« im Gebäude. Durch seine frühere Funktion als Mensa und Kantine können die stützenfreien großen Räume für vielfältige gemeinschaftliche, quartiersrelevante oder sogar der Gesamtgemeinde dienliche Nutzungen verwendet werden. Seine städtebaulich-architektonischen Kapazität ermöglicht hier einen Kindergarten, ein Gemeinschaftshaus, ein Dorfcafé wie auch einen kleinen Dorfladen. Das Potenzial des Gebäudes erweist sich auch im Dachgeschoss, dass aufgrund seines hohen Dachstuhls und der langen Schleppgauben gut für die Schaffung eines Wohnangebotes z.B. für Mitarbeiter*innen der Gemeinde geeignet ist. Die barrierefreie Erschließung erfolgt über einen Laubengang, der bisherigen dunklen Innenflure durch eine gemeinschaftliche Begegnungszone ersetzt.
Städtebauliche Rahmenplanung:
Studio Urbane Strategien, Stuttgart
Freie Architekten & Stadtplander BdA
Projektentwicklung und Stadtsanierung:
die STEG, Stuttgart